Es scheint nur ein gewöhnliches Kuvert zu sein, das Bankangestellte ihren Kunden aushändigen, wenn diese größere Summen abheben. Doch der Umschlag ist die letzte Rettung: Er kann Kunden vor dem Verlust ihres gesamten Vermögens bewahren. Im Kampf gegen Trickbetrüger hat das Polizeipräsidium Oberbayern Süd einen Geldübergabe-Umschlag entwickelt, der eindringlich vor Betrügern warnt. Vorgestellt wurde das Papier in der Polizeidienststelle Bad Reichenhall. „Es ist die letzte Möglichkeit zum Reingrätschen“, sagte Peter Huber, Dienststellenleiter der Polizei Bad Reichenhall. Neben Polizei, Kriminalpolizei und weiteren Banken aus der Region waren auch Vorstandsvorsitzender Dir. Josef Frauenlob und Bereichsleiter Daniel Schader der Volksbank Raiffeisenbank Oberbayern Südost eG anwesend.
Schockanrufe, Enkeltrick, Legendenbetrug oder falsche Polizeibeamte sind Maschen, auf die vor allem die ältere Generation hereinfällt, berichtete Huber. Potenzielle Opfer werden in einen Schockzustand versetzt. Die Betroffenen werden beispielsweise von einem vermeintlichen Polizeibeamten angerufen. Dieser teilt ihm mit, sein Kind habe bei einem Verkehrsunfall einen Menschen getötet und befinde sich in Untersuchungshaft. Diese Haft könne jedoch durch Zahlung einer Kaution abgewendet werden. Die Betrüger agieren aus Callcentern im Ausland, sind verbal geschult und schrecken auch vor Drohungen am Telefon nicht zurück. Der Erpresser fordert das Opfer zur Übergabe von Geld oder Wertgegenständen auf. Die Übergabe findet meist vor einem Rathaus, einer Polizeistation oder einem Gerichtsgebäude statt. Häufig müssen die Opfer zur Bank gehen, um das Geld abzuheben. Bankangestellte werden oft als letzte Instanz gesehen, die dies verhindern können. Hier kommt der Umschlag ins Spiel. Darauf stehen eindringliche Botschaften wie „Seltsamer Anruf?“ oder „Die Polizei wird Sie niemals um Bargeld oder Wertsachen bitten“. Daneben der rote Hinweis „Vorsicht Trickbetrug“.
Ziel sei es, die Schockstarre zu durchbrechen, ergänzte Rainer Wolf, Leiter der Kriminalpolizei Traunstein. Der Betroffene solle über die Kernbotschaften mit dem Banker ins Gespräch kommen. „Das ist das letzte Mittel.“ Die Fallzahlen im Bereich des Polizeipräsidiums Oberbayern liegen in Oberbayern Süd im vergangenen Jahr bei rund 2,4 Millionen Euro. Darüber informierte Karl Heinz Busch, kriminalpolizeilicher Fachberater für Einbruchschutz und Prävention in den Landkreisen Berchtesgadener Land und Traunstein. Auch Martin Irrgang, Leiter der Kriminalpolizei Oberbayern Süd, nannte Zahlen für 2023. Bei Schockanrufen und Enkeltrick gab es über 1500 versuchte und über 20 vollendete Taten. Die Schadenssumme beläuft sich auf 500.000 Euro. Beim falschen Polizisten gab es 370 versuchte Taten, zehn vollendete, 120.000 Euro Schaden. „Es gibt aber ein großes Dunkelfeld“, weiß Irrgang. Dennoch gibt es Erfolge bei der Strafverfolgung. Bisher konnte die Polizei 20 Festnahmen verbuchen, 16 Schockanrufer, vier falsche Polizeibeamte.